Die Definition des Begriffs System Mensch
1. Der natürliche und der zivilisierte Mensch
Der Mensch ist bereits im "Naturzustand" (Begriff von Th. Hobbes im "Leviathan" 1651 eingeführt) ein gesellig lebendes Wesen. Diese gesellige Lebensweise hat er von seinen Vorfahren geerbt. Sie ist genetisch verankert und gehört zu seiner Natur, so dass sie nicht als Ergebnis einer Reaktion auf die Widrigkeiten seiner Umwelt anzusehen ist, wie noch Hobbes meinte. Die Lebensweise in größeren Gruppen mag bereits bei seinen Vorfahren als evolutionärer Anpassungsmechanismus eine Rolle gespielt haben. Derartige Gruppen (Horden) sind hierarchisch organisiert, was für die Paarung – und somit für die Fortpflanzung und die Weitergabe von genetisch programmierten Fertigkeiten wichtig ist, so dass beispielsweise größere Schnelligkeit, körperliche Stärke und bessere Geschicklichkeit weitervererbt werden. Das Tier, das dem Weibchen am meisten durch derartige Eigenschaften, die besseres Durchsetzungsvermögen signalisieren, imponiert, gibt seine Gene vermehrt weiter. Es handelt sich um eine "patriarchalische" Gesellschaft, das stärkere Männchen nimmt sich das attraktivste Weibchen, das seinerseits im Lauf der Evolution durch diese Auslese stärker betonte sekundäre Geschlechtsmerkmale entwickelt.
Die ersten menschlichen Gesellschaften werden nach diesem Vorbild organisiert gewesen sein. Im "Naturzustand" oder im Urzustand ist das menschliche Individuum jedoch völlig frei hinsichtlich seiner persönlichen Vorlieben, seiner angeborenen Eigenarten. Das Durchsetzungsvermögen ist zwar unterschiedlich, aber das höherrangige Mitglied der Gemeinschaft macht dem Mitmenschen niedrigeren Ranges keinerlei Vorschriften hinsichtlich seines Verhaltens.
Derartige Verhaltensregeln entwickeln sich erst aus den Anforderungen der Zivilisation.
2. Merkmale der Zivilisation
Die
Entwicklung akustischer Signale, also die Umwandlung einer geistigen Verdichtung vieler Sinneseindrücke in einen Begriff, der mittels kurzer akustischer Übermittlung an die Mitmenschen weitergegeben werden kann (=Sprache), und die
Umwandlung von natürlicher Materie in handwerklich nach eigenen Vorstellungen geformte Werkzeuge zur Verbesserung der aktuellen und zukünftigen Energieversorgung beginnt der Prozess der Zivilisation (=Werkzeugnutzung).
kennzeichnen den Beginn von Zivilisation.
Letzteres wurde bereits von Friedrich Engels als die Menschwerdung des Affen durch Arbeit bezeichnet. (Friedrich Engels: Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen. erstmalig 1895 veröffentlicht, geschrieben 1876).
Die Sprache verdichtet die verschiedenen Wahrnehmungen eines Gegenstandes außerhalb der natürlichen Grenzen des lebenden Körpers zu einem Begriff. Dieser Begriff symbolisiert alle Aspekte des Baums, des Vogels usw., also der empirischen Realität (Kant). Das betrifft jedoch nicht nur die Objekte, sondern auch ihre Bewegung (stehen, fliegen usw.), so dass sich aus dem Begriff für das Objekt und dem für seine Bewegung ein Satz bilden lässt, der sozusagen einen Film repräsentiert, den der Empfänger der akustischen Signale vor seinem inneren Auge (Gedächtnis) ablaufen lassen kann. Die Begriffe und Sätze benötigen jedoch bedeutend weniger Speicherplatz im Hirn und als der visuelle Film, so dass die Sprachentwicklung Speicherplatz im Hirn und Energieverbrauch des Hirns reduziert. Sprachentwicklung folgt dem Energiesparprinzip, das Wilhelm Ostwald bereits 1909 erkannte.
Der Werkzeuggebrauch folgt ebenfalls diesem Energiesparprinzip. Es werden mit Hilfe der Energie des lebenden Körpers (Muskelenergie) Dinge hergestellt, die anschließend Energie sparen: der Korb erspart Laufwege beim Sammeln, der Speer erspart das energieaufwändige Einfangen der Beutetiere.
Beide Fähigkeiten, die Sprache (Kommunikation mittels akustischer Signale) und der Werkzeuggebrauch, finden sich jedoch schon im Tierreich. Sie sind also noch nicht menschenspezifisch.
Erst im nächsten Entwicklungsschritt entfernt sich der Mensch aus dem übrigen Tierreich.
3. Die Benutzung körperexterner Datenträger und Energieträger
Der erste Datenträger menschlicher Begriffe und Sprache ist das Hirn, genauer gesagt, seine Speicherfähigkeit (=Gedächtnis). Seine Inhalte werden mit dem Tod des Individuums gelöscht, so dass der Mensch eine Lösung für dieses Problem in der hirnexternen Datenspeicherung erfindet. Er schafft ein Zuordnung von akustischen Zeichen (Sprache) zu optischen Zeichen (Schrift), die er auf Stein oder anderen Datenträgern, wie Papier, Disketten Festplatten usw. speichern kann. Damit sind die Ideen des Menschen außerhalb seines Hirns konservierbar. Durch Druck und Verteilung des gedruckten Gedankeninhalts und durch Telekommunikation, wie beispielsweise das Internet, können nunmehr die Ideen des Individuums nahezu zeitgleich an die Mitwelt weitergegeben werden und sie können an die Nachwelt vererbt werden. Damit kann die Evolution (die Entwicklung) von Ideen weitaus schneller erfolgen als die Evolution genetisch gespeicherter Inhalte, die ja jeweil nur an die Nachfolgegeneration weitergegeben werden können. Die hirnexterne – und natürlich zellexterne – Datenspeicherung (im Gegensatz zur intrazellulären genetischen ersten und der hirninternen zweiten Datenspeicherung) ist die Voraussetzung für die Entwicklung der Wissenschaften.
Die Herstellung von Werkzeug mittels körpereigener (Muskel)Energie ergänzt der Mensch durch Nutzung von Fremdenergie. Zunächst verwendet er das Feuer zum Schmelzen von Metallen und der Herstellung von Eisen- und Bronzewerkzeugen. Dies kennzeichnet den Übergang von der Steinzeit zur Eisenzeit usw.. Später verwendet der Mensch Dampfenergie, Stromenergie, Atomenergie und insbesondere Energieträger wie Benzin und reduziert dadurch weiterhin seinen individuellen Energieaufwand für seine Fortbewegung. Statt körpereigene Muskelenergie zu nutzen, nutzt er die Verbrennung von Benzin und anderen Energieträgern, um besondere Fortbewegungsmaschinen zu betreiben, wie das Auto und das Flugzeug.
Im Verlauf dieser Entwicklung ist jedoch die genetische Programmierung des individuellen Handelns einschließlich der geselligen Lebensweise im Grunde erhalten geblieben. Die Herstellung der körperexternen Datenträger und der körperexternen Hilfsmittel, wie Werkzeuge, Waffen, Fortbewegungsmittel usw. erfolgt gesellschaftlich, arbeitsteilig. Diese gesellschaftliche Produktionsweise erfordert
eine Anpassung des Individuums an den Produktionsprozess und
die Verteilung der hergestellten speziellen Gegenstände, der Waren, erfordert einen Austausch, da die produzierten Güter nicht nur von ihren Produzenten, sondern von allen Menschen genutzt werden können.
Als Tauschmittel hat der Mensch das Geld erfunden. Zunächst als materiell physikalisch einheitliche neutrale Ware (Münzen usw.), später als Zahlen auf einem Bankkonto.
Diese 3 Errungenschaften, nämlich
die hirn- und zellexterne Datenspeicherung von Ideen,
die Werkzeuge und Hilfsmittel ("Waren") und
das Geld
kennzeichnen die menschliche Zivilisation.
Als Nebeneffekt oder Begleiterscheinung dieser Zivilisation musste das Individuum jedoch Anpassungen seines Verhaltens vornehmen, die es von seiner ursprünglichen natürlichen Lebensweise entfert, was Marx als Entfremdung kritisierte.
4. Verhaltensanpassungen des menschlichen Individuums
Die gesellschaftliche Produktionsweise verändert die Erfordernisse an das Verhalten der Individuen sehr stark und hat damit langfristig Folgen für die Anatomie (=den Körperbau) des menschlichen Körpers und auf .
Der gemeinschaftliche Herstellungsprozess von Waren mittels Maschinen und Fließbändern erfordert einen
gleichzeitigen Arbeitsbeginn und eine
gleichförmigen reduzierten Handlungsablauf.
Das hat die Folgen:
Das Individuum kann nicht mehr seiner persönlichen inneren Uhr folgen, sondern muss an jedem Arbeitstag zum gleichen Zeitpunkt aufstehen.
Das Individuum beansprucht seine Muskulatur nicht mehr ausgewogen, sondern reduziert einseitig.
Diese unnatürlichen Anforderungen werden ergänzt durch neue Fortbewegungsarten, die anstatt der Beine als Effektor (=Ausführungsorgan) die Arme benötigen, wie im Auto, oder gar keine Extremitäten mehr, wie in öffentlichen Verkehrsmitteln.
5. Die neue Begrifflichkeit der WLS (Wissenschaft Lebender Systeme)
Im Verlauf der Zivilisation hat der Mensch also Fähigkeiten, die ihm seine zum lebenden Körper gehörenden Organe verleihen, wie die Speicherfähigkeit von Ideen im Hirn oder die Fortbewegungsfähigkeit mittels seiner Beine durch Datenspeicher bzw. Maschinen (Werkzeuge) ergänzt und verbessert, die außerhalb seines Körpers liegen. Hans Hass nennt diese Produkte menschlichen Geistes, die die Fähigkeiten des Individuums verbessern, "zusätzliche Organe". Das Grundprinzip lebender Systeme sieht er darin, dass diese eine positive Energiebilanz haben müssen, dass sie also mehr Energie gewinnen müssen (also Tiere durch Nahrungsaufnahme) als sie durch ihre Aktivitäten verbrauchen und nennt sie daher "Energone". Der Mensch erreicht dies, indem er seinen Energieverbrauch durch Aktivität des lebenden Körpers ergänzt durch diese "zusätzlichen Organe", die er mittels Fremdenergie, die er nicht in sienen Körper aufnehmen muss, betreibt ("Energontheorie" z.B. http://www.hans-hass.de/Energontheorie_Kurzfassung.htm). Die WLS geht noch einen Schritt weiter und rechnet diese zusätzlichen Organe dem Individuum als körperexterne Organe hinzu, so dass der Mensch in körperlicher Hinsicht aus einem lebenden Anteil und einem nichtlebenden Teil besteht. Dieser nichtlebende Körperanteil besteht insgesamt aus seinem Eigentum. Dazu rechnet die WLS auch sein Geld (sein "Kapital", Marx). Der Mensch besteht nicht nur aus Materie, sondern aus anderer Sicht aus seinen Fähigkeiten und insbesondere seinen geistigen Fähigkeiten, die sich aus der Aktivität des Hirns ergeben. Der Mensch ist wie alle lebenden und nichtlebenden Systeme einerseits Materie bestimmter Zusammensetzung, andererseits ein System mit bestimmten Eigenschaften, die sich aus dieser Materie ergeben, hier insbesondere aus den Fähigkeiten des Organs Hirn.
Alles in allem besteht der Mensch also aus seinem lebenden und seinem nichtlebenden materiellen Anteil, einschließlich seines Geldes und den daraus sich ergebenden Eigenschaften, insbesondere den geistigen Eigenschaften, die auf die Fähigkeiten der Hirnsubstanz zurückgeführt werden können.
Die PhilS trägt dem Rechnung, indem sie den Begriff "Mensch" auf den Menschen in seinem Urzustand beschränkt und für den zivilisierten vollständigen Menschen der Jetztzeit den Begriff "System Mensch" vorschlägt und verwendet.
Rudi Zimmerman
Literatur Engels, Friedrich (1876): Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen. veröffentlicht erstmalig in: Die Neue Zeit. Stuttgart. XIV. Jahrgang 1895/96, S. 545-554. Hass, Hans (1994): Die Hyperzeller. Das neue Menschenbild der Evolution. Carlsen. Hamburg. ISBN 3-551-85017-8 Ostwald, Wilhelm (1909): Energetische Grundlagen der Kulturwissenschaften. Verlag von Dr. Werner Klinkhardt. Philosophisch-soziologische Bücherei, Band XVI, Leipzig. |