Die gleichförmige Bewegung lebender Systeme
1. Die gleichförmige Bewegung nichtlebender materieller Objekte
Unsere Physiker haben herausgefunden, dass begrenzte materielle Objekte in ihrer Bewegung verharren und nur unter Einwirkung äußerer Kräfte ihre Geschwindigkeit und Richtung ändern. Sie selbst befinden sich also aus ihrer inneren Sicht in ständiger Ruhe. Dieser Ruhezustand erscheint lediglich dem tierischen oder menschlichen Außenbetrachter als gleichförmige Bewegung. Dies ist nach vielen tausend Jahren der Betrachtung erstmalig Herrn Newton aufgefallen. Denn da von der Erde eine ständige Kraft auf diese Objekte einwirkt, können sie diese Bewegungsweise nicht zeigen, so dass dem menschlichen Betrachter stets bogenförmige Bewegungen dieser Objekte ins Auge fielen, wenn er beispielsweise einem Stein oder einer Kanonenkugel einen Impuls in eine bestimmte Richtung gab. Erst Newton erkannte, dass nichtlebende materielle Objekte ohne diese Einwirkung der Erdkraft, die er Gravitation nannte, ständig in mit konstanter Geschwindigkeit in gleicher Richtung weiterfliegen würden, wenn nicht durch eine Gegenkraft, die sogenannte Reibung, ihre Geschwindigkeit verringert werden würde. Ohne diese von außen auf das nichtlebende materielle Objekt einwirkenden Kräfte, wie die Reibung durch den Widerstand der Luft und die Erdanziehungskraft, wäre die Bewegung nichtlebender materieller Objekte gleichförmig.
2. Die gleichförmige Bewegung lebender Materie
Kennzeichen lebender Materie ist unter anderem, dass sie sich nicht gleichförmig bewegen kann. Sie kann von außen einwirkenden Kräften einen Widerstand entgegensetzen und kann ihre Bewegungsrichtung und –geschwindigkeit selbst bestimmen. Daher halten unsere Physiker die Bewegungen lebender Materie für nicht vorausberechenbar. Sie irren zwar in dieser Bewertung, weil sie die inneren Kräfte lebender Materie nicht berücksichtigen, aber darüber habe ich an anderer Stelle geschrieben.
Hier möchte etwas über die gleichförmige Bewegung lebender Materie sagen. Lebende Systeme des Typs Mensch kann sich zwar aufgrund der verschiedenen inneren Kräfte zu jeder denkbaren Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit entscheiden, aber der Mensch muss sich nicht ungleichförmig fortbewegen, er kann sich auch zur Durchführung einer gleichförmigen Bewegung entschließen. Deren Durchführung wird jedoch – genau genommen – immer unzulänglich sein. Realisiert werden kann diese gleichförmige Fortbewegung annähernd beim Laufen, besonders beim Dauerlauf, beim Nordic Walking, beim Radfahren und Autofahren und ähnlichen weiteren Bewegungsarten.
Erreicht der Dauerläufer oder Autofahrer eine gleichförmige Bewegung und achtet dabei auf seine innere Befindlichkeit und auf seine Umgebung, so empfindet er bei dieser Bewegung in gleicher Richtung mit konstanter Geschwindigkeit eine gewisse Befriedigung, eine Zustand des Glücks. In diesem Zustand erlebt er nicht nur dieses Glücksgefühl, sondern er nimmt seinen Zustand gar nicht als Bewegungszustand wahr, sondern als Ruhezustand. Er selbst fühlt sich in Ruhe und die Umwelt, besonders die ihn umgebenden fest verwurzelten Objekte, wie Bäume oder Häuser, schweben mit gleichförmiger Geschwindigkeit an ihm vorüber. Er selbst wähnt sich in Ruhe und die Umwelt in Bewegung. Dieses Vertauschen der Bewegungsempfindung von Selbst und Nicht-Selbst ist Teil dieses Glückszustands. Es ist, als fühlte man sich wenn man selbst in dieser Weise läuft – als nichtlebendes materielles Objekt. Der Läufer oder Fahrer (im gleichförmig fahrenden Auto) kann sich in einen toten Gegenstand hineinversetzen, wenn er sich ebenso bewegt, wie dieser sich ohne Einwirkung äußerer Kräfte bewegen würde. Er fühlt sich so, wie sich ein Stein fühlen würde, wenn dieser die Möglichkeit hätte, ohne Erde und Erdatmosphäre zu sein. Der so laufende Mensch empfindet auch keinen Kraftaufwand. Bei Bewegungsänderungen muss Kraft aufgewendet werden, insbesondere dann, wenn die Bewegung vom Erdschwerpunkt weg verläuft, er also bergauf läuft. Bei dieser gleichförmig laufenden Bewegung richtet sich die Aufmerktsamkeit nämlich immer auf den Körperteil, der sich in Ruhe befindet. Bei Laufen befindet sich nämlich ständig etwa die Hälfte der Muskulatur im Ruhezustand, und auf diese Hälfte richtet sich die Aufmerksamkeit, daher das glückliche Gefühl der Ruhe beim Laufen. Beim gleichförmigen Laufen ist ja ständig nur ein Bein in aktiver Bewegung und verrichtet Arbeit, verbraucht Energie, beim Nordic Walking zusätzlich auch ein Arm. Das andere Bein befindet sich beim Laufen ja in der Luft und wird lediglich durch einen leichen Muskelruck im Becken oder der Hüfte von hinten nach vorn geschwungen, so dass die Oberschenkel- und Unterschenkelmuskulatur des Beines sich in dieser Zeit des Schwingens von hinten nach vorn in Ruhe befindet. Ebenso ist es mit der Armmuskulatur beim Nordic Walking. Beim gleichförmigen Autofahren befindet sich nahezu der gesamte Muskulatur mit Ausnahme der wenigen Muskeln, die das Gaspedal betätigen, falls das Auto nicht über eine Selbstfahrfunktion ("autospeed") verfügt. Dieses Glücksgefühl beim gleichförmigen Autofahren, bei dem der Fahrer sich in einem Ruhezustand befindet wie nichtlebende Materie, ist für viele Menschen der Grund dafür Auto um des Fahrens willen zu fahren. Haben sie einmal dieses Glücksgefühl bei gleichförmiger Bewegung im Auto erlebt, drängt es sie nach Wiederholung, so dass rationale Vorsätze sie nicht daran hindern, erneut zu fahren, selbst ohne eigenes Auto (Diebstahl) und ohne Führerschein. Derartige Fälle habe ich leider des öfteren erlebt, weil diese Menschen dann vor Gericht landen und zu immer höheren Geldstrafen sowie schließlich zu Freiheitsstrafen verurteilt werden. Durch diese Freiheitsstrafen fallen sie aus sozialen Bezügen heraus, verlieren ihre Arbeit und ertränken nicht selten ihr Unglück im Alkohol. Derartige Lebensläufe aufgrund des Glücksgefühls, das der Mensch bei gleichförmiger Fortbewegung erlebt und dessen Anziehungskraft stärker ist als vernünftige Vorsätze, sind nicht selten.
3. Die chemische Vermittlung des Glücksgefühls
Was geht in lebender Materie in diesem Zustand der gleichförmigen Bewegung vor?
Offensichtlich schüttet das Hirn bei gleichförmiger Fortbewegung Endorphine oder andere sogenannte Glückshormone aus, die dem laufenden Subjekt das Gefühl des Glücks vermitteln.
Hervorgerufen wird diese Hormonausschüttung u.a. von der optischen Wahrnehmung, dass die Umgebung des Läufers (oder Fahrers) an ihm mit gleichförmiger Geschwindigkeit vorbeischwebt.
Gesichert ist bisher, dass optische Wahrnehmungen zu Hormonausschüttung und Glücksgefühl führen können. Dies ist im Tierreich gesichert, aber auch beim Menschen, den Biologen ja auch dem Tierreich zuordnen. Erblickt beispielsweise das männliche Tier ein weibliches Sexualobjekt, führt diese optische Wahrnehmung zur Ausschüttung von Sexualhormonen, die nun ein bestimmtes Gefühlsleben und Verhalten des männlichen Tieres hervorrufen. Der männliche Mensch erlebt Hochgefühle und sexuelle Erregung, insbesondere wenn zum Anblick bestimmter erregender Körperteile auch noch ein Blick des weiblichen Menschen, also "Blickkontakt", hinzukommt. Diese durch bestimmte Hormone hervorgerufenen Gefühle sind verbunden mit bestimmten Verhaltensweisen, die im Tierreich "Balzverhalten" genannt werden. Dieses äußert sich in Lauten, bei Menschen in Worten, bisweilen in "Komplimenten", aber auch in sehr komplexen Verhaltensweisen, wie Einladungen zu Kinobesuchen oder zum Essen usw.. Auch der Höhepunkt dieser komplexen Verhaltensweisen, der sexuelle Orgasmus durch Geschlechtsverkehr, wird durch Ausschüttung bestimmter Hormone hervorgerufen. Hier belohnt die Natur die Weitergabe genetisch gespeicherter Information mit einem besonderen Glücksgefühl. Bei der Auslösung derartiger Verhaltensweisen, die im Tierreich "Instinktverhalten" bezeichnet werden, spielt im übrigen die optische Wahrnehmung in der Regel eine Nebenrolle, oder (beim Menschen) nur eine auslösende Rolle über größere Entfernungen. Einen bedeutend stärkeren Reiz für die Ausschüttung von Hormonen und damit die Auslösung bestimmter Verhaltensweisen, spielt die olfaktorische Wahrnehmung, also die Geruchswahrnehmung. Dies wird besonders deutlich bei einzeln lebenden Tieren, die zur Partnersuche die Geruchsfährte des Partners aufnehmen müssen, aber auch beim Menschen zeigt sich, dass die Aufnahme gasförmig gelöster Stoffe sexuelle Anziehung auslösen können: die sogenannten Pheromone führen, ohne dass sie bewusst wahrgenommen werden, zu Verhaltensänderungen mit dem Ziel der körperlichen Vereinigung und des Orgasmus.
Die Wahrnehmung bestimmter Veränderungen in der Außenwelt führt also über die Ausschüttung von Hormonen zur Stimulierung von Gefülen und auch zu Änderung der Verhaltens. Umgekehrt kann aber auch ein bestimmtes Verhalten, wie hier das Erreichen einer gleichförmigen Bewegung der Außenwelt, die am Läufer vorbeischwebt oder am stillsitzenden Fahrer vorbeirauscht, zu einer Ausschüttung von Glückshormonen führen, die einen Rauschzustand erzeugen. Es handelt sich - kybernetisch modelliert – um ein positives Feedback, das verstärkend wirkt. Derartige rauschartige Zustände von Glücksgefühl drängen zu Wiederholung – sei es ein sexuelles Rauscherlebnis wie der Orgasmus oder ein sogenannter "Geschwindigkeitsrausch" beim Autofahren. Dieser scheint zwar desto größer oder stärker zu sein, je schneller oder höher die Geschwindigkeit ist, aber das entscheidende ist nicht die Bewegungsänderung, also die Änderung von Richtung oder Geschwindigkeit (Beschleunigung) der Bewegung, sondern entscheidend ist die Gleichförmigkeit der Bewegung, also die Annäherung der Bewegung lebender Systeme an die Bewegungsform der nichtlebenden Materie. Die Achtsamkeit des Läufers ist allerdings höher als die Achtsamkeit des Fahrers, weil ersterer sich langsamer bewegt und letzterer schneller. Das scheint das Übel auszumachen, dass der Fahrer im Unterschied zum Läufer in Kauf nehmen muss. Der sich relativ langsam gleichförmig bewegende Läufer trainiert im Unterschied zum sich relativ schnell gleichförmig bewegenden Fahrer nicht nur seinen Körper, sondern auch seine bewusste Aufmerksamkeit beim ruhigen Fortbewegen und Erreichen dieses Glückszustands, der durch eine Hormonausschüttung hervorgerufen wird, während der schnell Fahrende das Glücksgefühl eher unbewusst erlebt, weil er seine Aufmerksamkeit nicht auf sich richten kann, sondern auf den Straßenverkehr lenken muss. Der Fahrer übt keine Achtsamkeit oder begeht Fahrfehler, falls er sich beim Fahren auf sein Inneres konzentriert.
4. Zusammenfassung: Wahrnehmungen führen zu Hormonausschüttung und diese steuern das Verhalten des lebenden Systems
Es handelt sich in derartigen Fällen um ein positives Feedback. Das Glücksgefühl stellt die positive Rückkopplung bestimmter Verhaltensweisen dar. Im Bereich der Sexualität ist diesem die Wahrnehmung vorgelagert. Bestimmte Wahrnehmungen optischer oder olfaktorischer Art führen hier zu Hormonausschüttungen, die das Gefühlsleben und das Verhalten des Subjekts ändern. Geht das Verhalten nun in die von der Natur gewünschte Richtung, also in Richtung Annäherung an den Sexualpartner, wird diese körperliche Annäherung wiederum mit einem Glücksgefühl belohnt, bis zum Höhepunkt (“Orgasmus”), wenn die Natur das von ihr gewünschte Ziel erreicht hat - die Vermehrung genetisch gespeicherter Information. Bei der linearen Fortbewegung lebender Systeme nimmt das Individuum ein gleichförmiges Vorüberschweben der Umwelt an sich vorbei wahr und erlebt sich in Ruhe, konzentriert sich auf sein Inneres, übt Achtsamkeit. Dieser Zustand führt zur Ausschüttung von Hormonen (z.B. Endorphinen), die diese Art der Fortbewegung mit Glücksgefühl belohnen, so als ob sich die Natur den Zustand der leblosen Materie auch für lebende Systeme wünschen würde.
Rudi Zimmerman, Sept. 2010
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