Das Manifest 2010
der
Philosophie lebender Systeme

 Die hierarchische Struktur

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             Wissenschaft Lebender Systeme

Kapitel 3

Die Ebenen der Systeme (Hierarchie, Holons)

Lieber Leser, liebe Freundin!

Bevor ich anhand des Menschen die Komponenten eines Lebenden Systems der Größenordnung Individuum erläutere, noch ein Wort zu den Hierarchie-Ebenen im Universum. Die kleinste Ebene uns bisher gut bekannter Nichtlebender System ist das Atom. Das Atom ist ein System, das autark ist. Es ist stabil, man sollte vielleicht besser sagen, es hat eine innere Harmonie.
Das einzelne Atom ist jedoch eingebunden in eine riesengroße Menge gleich organisierter Atome. Oft (in Gasen) ist es paarig vorhanden. Tritt es rein und massenhaft auf, spricht die Wissenschaft von einem "
Element". Umgangssprachlich sprechen wir einfach von dem Sauerstoff. Oder wir sprechen von dem Wasserstoff oder dem Stickstoff. Dann meinen wir ein übergeordnetes System. Ich nenne ich dies ein Hypersystem.

Der Grund für diese Abgrenzung des "Individuums" Atom von der übergeordnete Ebene des "Elements" Sauerstoff, Stickstoff oder Gold ist der, dass sich die Eigenschaften eines Elements nicht im Individuum Atom zeigen, sondern erst dann, wenn das Atom in großer Zahl ("massenhaft") vorhanden ist, wenn es also Teil eines übergeordneten Systems, dem Element, ist.

Atome können auch Verbindungen mit andersartigen Atomen eingehen. Dann spricht die Naturwissenschaft von einem Molekül. Moleküle können sehr vielfältig sein, aber auch relativ einfach gestaltet, wie beispielsweise das Wassermolekül. Dies ist aus 2 Wasserstoffatomen und 1 Sauerstoffatom zusammengesetzt. Auch diesem Molekül sieht man seine Eigenschaften, ich möchte fast sagen: seine Fähigkeiten, nicht an. Erst, wenn sich ein Hypersystem gebildet hat, das wir umgangssprachlich "Wasser" nennen, erkennen wir die Eigenschaften, die in ihm stecken. Die Naturwissenschaft hat den Begriff "Emergenz" dafür geschaffen. Dies bedeutet, dass sich, wenn sehr viel Desselben zusammenkommt, eine neue Eigenschaft zeigt. Dass Wasser flüssig ist und den Berg nur herabfließt, dass es bei null Grad Celsius gefriert, also fest wird, und bei 100 Grad Celsius in den gasförmigen Zustand übergeht, das sind Eigenschaften des Hypersystems Wasser, und nicht eine Eigenschaft des einzelnen Wassermoleküls.

Die HierachieEbenen Nichtlebender Systeme betreffen weiterhin die Größenordnung der Systeme. Ich möchte Ihnen, lieber Leser, hier nur einen kleinen Einblick geben und zunächst die mikroskopische Größenordnung vorstellen. Unter dem Mikroskop erkennen wir sehr kleine Strukturen und Objekte. Darüber befindet sich die makroskopische Ebene von Steinen und anderen, dem Auge sichtbaren, Objekten auf der Erde. Das Individuum Mensch lebt in dieser Ebene. Darüber befinden sich Meere, Berge usw. und darüber das System Erde, weiter darüber das Sonnensystem, die Galaxien und schließlich das Universum als höchste Ebene. Die Ebenen von Größenordnungen sind Ihnen, sehr geehrter Leser, bekannt, deshalb erwähne ich das nur kurz.

Genauso ist es mit Lebenden Systemen. Die niedrigste Ebene ist hier die Zelle. Der Mensch ist ein Vielzeller. Der einzelne Mensch wird als Individuum bezeichnet, wie auch die einzelne Ameise so benannt werden kann. Innerhalb des Individuums sind Zellen mit gleichen Funktionen zu Organen zusammengefasst, die bestimmte Aufgaben erfüllen. Die Individuen bilden Gruppen, die als Familien, Clans, Horden, Staaten, Glaubensgemeinschaften usw. bezeichnet werden. Dies sind Hypersysteme und Suprasysteme Lebender Systeme. Das höchste System ist diesbezüglich die Menschheit. Darüber steht jedoch die Tierwelt, innerhalb deren die Menschheit (die Art Mensch) eine Untergruppe bildet), darüber die Welt lebender Systeme und darüber die Erde, der Planet auf dem wir leben und dessen Teil wir sind.

Dies ist deshalb wichtig zu wissen, weil der Mensch – ebenso wie das Wassermolekül – nicht als Einzelwesen lebt, sondern stets Teil verschiedener Gruppen ist (Familie, Staat, Sprachgemeinschaft usw.) und als solches handelt. Das Hypersystem handelt mit Hilfe seiner Individuen. Menschliche Individuen sind die Marionetten des Staates. Sehr deutlich wird dies im Krieg. Krieg ist nicht die Aktion eines Individuums, sondern der Handelnde ist der Staat, das Hypersystem.

Bei Lebenden Systemen spricht die Wissenschaft von Handlungen und Taten, Nichtlebende Systeme handeln nicht aktiv, sie bewegen sich infolge von außen auf sie einwirkender Kräfte.

Was das menschliche Individuum tut, tut es also nicht immer, ja sogar nur sehr selten, als Individuum, sondern der Mensch handelt in der Regel als Gruppenwesen. Seine Handlungen werden von Gruppennormen geprägt, von Vorschriften und Gesetzen. Sigmund Freud nannte die im Individuum wirkenden Normen das "Über-Ich". Das Handeln des Menschen wird also unter anderem von diesem übergeordneten System, beispielsweise seinem Staat gesteuert – ähnlich wie die Bewegungen des Wassermoleküls vom Wasser bestimmt werden.

Darin liegt die Bedeutung der HierarchieEbenen. Jede Ebene kann auch als Holon bezeichnet werden. Ein Begriff, den Arthur Koestler geprägt hat.

Für das Verständnis meiner Wissenschaft Lebender Systeme ist es von großer Bedeutung, liebe Freundin, sich klar zu machen, dass das Individuum sich stets nicht nur als Einzelwesen verhält, sondern immer auch als Gruppenwesen handelt. Und das betrifft nicht nur sein Handeln, sondern auch sein Denken – von Sigmund Freud als "Probehandeln" charakterisiert.

Wenn Ihnen ein Mitmensch widerspricht, lieber Leser, denken Sie also bitte daran, dass dieser Mitmensch nicht als Individuum spricht, sondern als Vertreter irgendeiner Gruppe mit bestimmten Gruppenansichten. Der nette Mitmensch, der sie beschimpft und herabsetzt, weil sie nicht an Gott glauben, der äußert sich nicht als Individuum, sondern als Gläubiger, als Teil einer Glaubensgemeinschaft, dessen Vorgaben er übernehmen muss. Er denkt und handelt nicht frei als Individuum, sondern als Teil eines Hypersystems bzw. eines Suprasystems, da eine Glaubensgemeinschaft auch dem System Staat übergeordnet ist.

Der wissenschaftliche Kollege, der Ihnen, sehr verehrter Leser, widerspricht, weil Sie ein Phänomen mit Hilfe der Hüllentheorie beschreiben und das Problem lösen, der widerspricht Ihnen nicht als Individuum, sondern als Vertreter der Orbitaltheorie. Im Bereich der Wissenschaften können Sie sich vielleicht einigen, weil jede Theorie zur Erklärung anderer Beobachtungen ihren Nutzen hat. In den Geisteswissenschaften ist das bedeutend schwieriger oder gar unmöglich.

Nebenbei bemerkt geht es bei derartigen Auseinandersetzungen oft gar nicht um inhaltliche Fragen, sondern um die Herstellung einer Hierarchie, wie uns Paul Watzlawick klar gemacht hat, der die verbale und die nonverbale Kommunikation unterschieden hat. Nonverbal geht es in der Kommunikation darum, wer dem anderen überlegen ist, wer also dominant und wer subdominant ist. Aber das nur am Rande, liebe Freundin.

Diese wenigen Andeutungen mögen genügen, liebe Freundin und sehr geehrter Leser, um Ihnen die Bedeutung der HierarchieEbenen in Erinnerung zu rufen.

Rudi Zimmerman, 4.1.2017

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